Ausgangslage
Seit Jahren gibt es einen mehr oder weniger offenen Disput darüber, ob der Working Cocker Spaniel (nachfolgend WCS genannt) in Deutschland offiziell, also mit Papieren des Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), gezüchtet werden darf, oder nicht. Bisher hat sich nur einer der rassebetreuenden Clubs im VDH bereiterklärt, Hunde des Arbeitstyps anzukören (zur Zucht zuzulassen). Alle anderen Clubs haben dies mit Verweis auf den Standard abgelehnt (Begründung: WCS entsprechen nicht dem Standard). Als Reaktion auf diese erfolgten Zuchtzulassungen wurde der körende Club beim Verbandsgericht vom VDH angeklagt (Das Verfahren ist anhängig).
Fakten zum WCS
Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, ob diese Hunde dem Standard wohl oder nicht ausreichend entsprechen, zunächst einmal ein paar Zahlen und Hintergründe:
Seit Anfang der 2000er Jahre drängen die WCS, die in England schon lange zu den Top 3 der beliebtesten Hunden gehören, auf der ganzen Welt (und so auch in Deutschland) auf den «Markt» (wenn man es denn so nennen darf).
Im Mutterland des ECS sind seit den 50iger Jahren die Arbeitslinien von den Showlinien komplett getrennt gezüchtet worden. Das lag ausschließlich daran, dass die Hunde im Showtyp die erforderlichen Arbeitsprüfungen leider nicht mehr erbringen konnten (siehe Jane Simmons: Cocker Spaniel, 2010, Pet Book Publishing Company, Seite 12/13, - Simmons ist übrigens eine bekannte Show Type Züchterin und Richterin). Bei den Arbeitslinien wurde dagegen auf genau DAS geachtet, wofür diese Hunde schon immer gezüchtet wurden: die Arbeitsleistung – das Aussehen spielte, wie auch bei den Arbeitslinien anderer Rassen, eine untergeordnete Rolle.
Es wird hier kein kompletter geschichtlicher Abriss gegeben aber Fakt ist, dass durch das Wesen und die dadurch gegebene leichtere Trainierbarkeit, verbunden mit einem leichter zu pflegenden Fell, die WCS erst nur unter Jägern, ab den frühen 90iger Jahren aber auch massiv unter «normalen» Hundebesitzern und Sportlern, Polizei, Grenzschutz, Feuerwehr und Assistenzhunde exponentiell in der Beliebtheit gestiegen sind. Der Trend hält bis heute ungebrochen nicht nur an, sondern verbreitet sich ölfleckmäßig über die ganze Welt. Die Nachfrage, sowohl im Mutterland, als auch bei Züchtern in anderen Ländern übersteigt das Angebot.
Wenn man sich die Zuchtzahlen der letzten 10 Jahre beim UK Kennel Club anschaut, dann stellt man fest, dass der Cocker Spaniel durchgehend in den Top 3 der meist gezüchteten Hunde ist. Ein kleiner Vergleich von Welpenzahlen vom 2019 im VDH und dem Kennel Club UK (KC):
VDH | KC | |
Deutscher Schäferhund | 8634 | 6837 |
Dackel | 5921 | 11942 |
Border Collie | 1126 | 2087 |
English Cocker Spaniel | 739 | 21663 |
Die Zahlen der Schäferhunde sind einigermassen vergleichbar, die der Dackel und Border Collies (es handelt sich nur um KC Eintragungen, ISDS Registrationen werden hier nicht einbezogen) bewegen sich ungefähr beim Doppelten. Jedoch sticht im Vergleich zu Deutschland die enorm hohe Anzahl von Cockerwelpen ins Auge. Diese Zahlen werden mitnichten vom Showtyp geschaffen. Nach unseren Recherchen und seriösen Schätzungen kann davon ausgegangen werden, dass von den 21`663 Welpen etwa 90% dem Working Type angehören.
Die Königsfamilie besitzt ausschließlich Cocker Spaniel im Arbeitstyp, die nationalen Cocker Championships (Field Trial, jagdliche Prüfungen für Cocker Spaniel in England) werden ausschliesslich von WCS bestritten.
Der Standard
Und damit wären wir bei der Frage: wieso sollen diese Hunde in Deutschland nicht gekört werden dürfen?
Eigentlich müssten die oben genannten Zahlen allein schon für ein Umdenken sorgen.
Die Begründung ist, dass sie nicht dem Standard entsprechen. Dies ist für uns nicht nachvollziehbar.
Der Standard beschreibt einen im äußeren Erscheinungsbild „Idealhund“. Nicht zu vergessen ist, dass sich bei allen Rassen über die Jahre eine Auslegung eines Standards in eine bestimmte Richtung einbürgert. Das ist beim Cocker aber nicht der Hund, der auf der ganzen Welt die Leistung bringt, die der Standard eben auch vorsieht, sondern der sogenannte Showtyp.
Die Standardkommission des englischen Kennel Clubs konnte die WCS einfach nicht mehr länger ignorieren, so dass sie immerhin schonmal in der neuen Version von 2012 ausdrücklich im Vorwort erwähnt wurden. Unseres Wissens nach die einzige Rasse, bei der das so explizit gemacht wurde. Und zwar nur aus einem einzigen Grund: die schiere Anzahl der gezüchteten Hunde und ihre Erfolge in der Arbeit erzwangen dies. Hier der entsprechende Auszug der Standardänderung (FCI Standard Nr. 5, 23.11.12):
"Wie auch bei einigen anderen Jagdhunderassen ist auch beim Cocker heute ein Unterschied zwischen Hunden, die zur Jagd verwendet werden und solchen, die zur Ausstellung verwendet werden: der Ausstellungs-Cocker ist ein kräftigeres und schwereres Exemplar als sein arbeitender Artgenosse."
Mit diesem Vorwort hat der KC ein deutliches Zeichen gesetzt und der Fédération Cynologique Internationale (der größte internationale kynologische Dachverband, FCI) und somit auch dem VDH als Mitglied quasi den Wink mit dem Zaunpfahl gegeben. Diese Hunde nicht zur Zucht zuzulassen und in den nächsten Jahren tausende Welpen (ja – um so viele wird es gehen!) als nicht standardgerecht und damit für die Zucht „wertlos“ abzutun, kann unserer Meinung nach als fahrlässig und absolut nicht im Sinne einer gesunden Zuchtbasis bezeichnet werden.
Auch im UK Cocker Club (dem klassischen Show Typ Club) konnte man sich diesen Hunden schon lange nicht mehr verschließen – hier werden die beiden Linien problemlos und friedlich nebeneinander gezüchtet. Auf ihrer Homepage wird der Unterschied zwischen Arbeits- und Showlinie für Welpeninteressenten folgendermassen erklärt:
Im Standard (FCI Standard Nr. 5, 23.11.12) steht weiter:
"FEHLER : Jede Abweichung von den vorgenannten Punkten muss als Fehler angesehen werden, dessen Bewertung in genauem Verhältnis zum Grad der Abweichung stehen sollte und dessen Einfluss auf
die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes und auf seine Fähigkeit die verlangte rassetypische Arbeit zu erbringen, zu beachten ist."
Dieser Passus unterstreicht, dass der Standard ein Kören von Hunden im Arbeitstyp ohne Weiteres zulässt.
Deutliche Worte
Achtung, jetzt wird's etwas emotional, aber wir müssen einfach mal ein paar deutliche Worte aussprechen...
Wie bereits erwähnt, die Königsfamilie besitzt ausschließlich Cocker Spaniel vom Arbeitstyp, die nationalen Championships (Field Trial) werden ausschliesslich von WCS bestritten.
Betrachten wir nun weiter das im Frühling veröffentlichte Nationalteam Agility aus England fürs 2021: von den 11 Hunden in Small und Medium sind 7 (!) WCS. Keiner dieser Hunde dürfte gemäss der Anklageschrift gegen die erfolgten Körungen in Deutschland zur Zucht verwendet
werden.
Der Deckrüde mit den meisten Nachkommen aller Zeiten (FTCH. Rollafields Redbud. Besitzer: Andy Platt) wäre, wenn die Klage gutgeheissen wird, in Deutschland wegen seiner weissen Abzeichen von der Zucht ausgeschlossen. Das ist doch absurd.
90% der im Mutterland gezüchteten Hunde würden hier schon wegen „Typmangels“ aus der Zucht fallen? Hier läuft doch ganz gewaltig etwas schief.
Zum Wohle der Rassehundezucht, zum Wohle der genetischen Vielfalt, zum Wohle der Fitness und Gesundheit bei diesen Hunden möchten wir innerhalb des VDH zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen um diese Hunde auch in Deutschland endlich ordentlich züchten zu können, ohne angezeigt, diffamiert und mit Hassparolen überzogen zu werden.
Die Angst, dass die Rasse, bzw. der English Cocker Spaniel im Showtyp "verwässert"/"kaputtgemacht" wird ist völlig abwegig – man schaue auch hier wieder einfach nur ins Mutterland der Rasse, wo züchterisch (wie in vielen FCI Ländern) alles möglich und erlaubt ist (sprich keine Körung mit Exterieurbeurteilung verlangt wird wie in Deutschland). Der befürchtete Effekt ist nie eingetreten – im Gegenteil. Es besteht eine friedliche Koexistenz. Und genau das streben wir auch an!
Text: IG Working Cocker Spaniel